Weidmanns zäher Widerstand: Wie Altglienicke 1920 doch noch zu Groß-Berlin kam

Alt-Glienicke bei Berlin. Friedrichstraße, vermutlich Mitte der 20er Jahre (Bild: BVA)
Alt-Glienicke bei Berlin. Friedrichstraße, vermutlich Mitte der 20er Jahre (Bild: BVA)

Dezember 2020:

Vor 100 Jahren wurde Groß-Berlin geschaffen. Die Einwohnerzahl der deutschen Hauptstadt verdoppelte sich am 1. Oktober 1920 schlagartig durch Eingemeindung von sechs Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken auf etwa 3,8 Millionen, die Fläche verdreizehnfachte sich von 66 auf knapp 880 Quadratkilometer. Dem ging ein jahrelanger politischer Streit über die neue Großgemeinde voraus. Schon ab 1911 gab es einen „Zweckverband Groß-Berlin”, der eine enge Zusammenarbeit von Stadt und Umland regelte, für mehr gab es aber keine Mehrheit. Dem Verband gehörten Gemeinden an, die später nicht zu Berlin fanden, andere wie Altglienicke wiederum nicht. Die maximalmögliche Ausdehnung war durch eine Portozone bestimmt, in der ein gewöhnlicher Brief von der Oberpostdirektion Berlin für 5 Pfennig zugestellt wurde. Während sich politisch linke Kräfte durch Groß-Berlin eine Verbesserung der sozialen Situation der dicht zusammenlebenden Arbeiter erhofften, die vermehrt in neuen Fabriken außerhalb der Stadtgrenzen tätig waren, befürchteten die Bürgerlich-Konservativen, dass mit GroßBerlin die ländlich geprägten Vorortgemeinden zusätzlich den Sozialdemokraten anheimfallen könnten. Am 27. April 1920 stimmten schließlich in der Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung SPD, USPD und Teile der DDP dafür, DNVP, DVP und Zentrum dagegen. Das fünf Monate später in Kraft tretende Groß-Berlin-Gesetz war mit 164 gegen 148 Stimmen bei fünf Enthaltungen knapp beschlossen.

Die Fläche, wie groß die neue Stadt wirklich werden sollte, blieb an einigen Rändern bis 1919 offen. Manche Gemeinden scherten als es ernst wurde aus, andere stießen noch hinzu. So sahen die ursprünglichen Pläne für das Groß-Berlin-Gesetz vor, auch die am Ende außen vor gebliebenen Gemeinden Schönefeld und Großziethen einzugemeinden – als Teil des Verwaltungsbezirks Neukölln. Etwas, was kirchlich bis heute nachwirkt, denn die evangelischen Gemeinden sind traditionell – nur unterbrochen durch die Teilung 1961 bis 1990 – dem Kirchenkreis Neukölln zugehörig, nicht dem im brandenburgischen Zossen angesiedelten Kirchenkreis. In Schönefeld ging es sogar schon so weit, dass die Stadt Neukölln, vormals Rixdorf, 1913 ihre als „47” titulierte Straßenbahnlinie vom Hermannplatz bis ins Dorf Schönefeld baute, wo sie noch bis 1948 über die Stadtgrenze hinaus fuhr.

Großziethen war im Zweckverband Groß-Berlin mit eingebunden. Proteste der dortigen Großbauern wegen befürchteter Steuererhöhungen und einem möglichen Preisverfall der landwirtschaftlichen Produkte sorgten dafür, dass die Gemeinde eigenständig blieb und sich bis heute auf der Karte Berlins zwischen Lichtenrade und Rudow, wie ein Riegel in die Stadtgrenze Richtung Buckow hineinschiebt. In Schönefeld war es nicht viel anders. Bei Altglienicke wäre die Entwicklung um 1920 fast andersrum verlaufen. Fast hätte es einen solchen geographischen Einschnitt in Berlin auch zwischen Rudow auf der einen und Bohnsdorf und Grünau auf der anderen Seite gegeben. In Altglienicke, damals Alt Glienicke geschrieben, kämpfte man lange in Person der einflussreichen Bauernfamilien gegen eine Vereinnahmung durch Groß-Berlin. Man schaute nach Köpenick, aber Berlin galt als weit weg. Dem ab 1899 als Nachfolger des verstorbenen Friedrich Hannemann amtierenden Gemeindevorsteher Emil Weidmann war es als Kämpfer an vorderster Front ein Dorn im Auge, Teil des „roten Berlins” mit einer um sich greifenden Sozialdemokratie zu werden. Er verspürte mit diesen schon genug Probleme, als am Rande des Falkenbergs Berliner Genossenschaften von Arbeitern Grund und Boden erwarben und die Preußensiedlung sowie die Tuschkastensiedlung errichteten. Das alles beiderseits einer Villensiedlung Falkenberg, die gut betuchte Leute nach Altglienicke holen sollte. Das sorgte bei letzteren für Unbehagen mit den proletarischen Nachbarn beiderseits. Und es drohten vermehrt sozialdemokratische Wählerstimmen.

Emil Weidmann Gemeindevorsteher von 1899-1918 (Bild: BVA)
Emil Weidmann Gemeindevorsteher von 1899-1918 (Bild: BVA)

Weidmann hatte als „Dorfschulze” stolze Pläne für seine Gemeinde, die er ähnlich vorstädtisch mit mehrstöckigen Häusern wie das benachbarte Adlershof ausbauen wollte. Einige Ansätze sieht man noch im Ortsbild. Er wurde gar selber als Bauherr aktiv, als er eigenen Grund und Boden an der späteren Straße Am Kiesberg parzellierte und bebaute, der zeitweilig nach ihm den Namen „Weidmanns Höhe“ tragen sollte. Allerdings fehlte bei seinen kühnen Plänen oft genügend Geld in der Gemeindekasse, um alles zügig voranzubringen. Der Neubau der Kirche unter seinem Vorgänger war schon teuer. Er hatte im Ortsbereich eine Straßenbeleuchtung und allerlei Straßenpflasterungen bisher unbefestigter Wege durchgesetzt. Eine Straßenbahnverbindung von Adlershof aus wurde realisiert, um Berliner zu locken. Große Anstrengungen standen in der Realisierung einer großen Gemeindeschule, der heutigen Schule am Berg, die erst 1914 zum Abschluss gebracht werden konnte. Ein von ihm geplantes Rathaus für Altglienicke musste da erstmal zurückgestellt werden, auch wenn die Verwaltungsräume in der alten Dorfschule in der Wilhelmstraße (heute Besenbinderstraße 2) und in der Grünauer Straße 60 aus allen Nähten platzten. Altglienicke hatte neben vielen einfachen Leuten zwar auch einige wohlhabende Bauernfamilien, aber der Erste Weltkrieg brachte viele Probleme mit sich. Die Männer, gerade die jüngeren, hatten an der Front zu dienen. Ab 1915 mussten die Bauern das gesamte Getreide beim Staat abliefern. Dafür bekamen sämtliche Altglienicker Lebensmittelkarten. Die Rationen wurden bald weniger und man hungerte. Die einsetzende Teuerung und die sozialen Folgen im Zuge des Krieges taten ihr Übriges als Probleme, mit denen sich der Gemeinderat auseinander zu setzen hatte. Auf einmal musste man als Gemeinde ein Darlehen von 100.000 Mark aufnehmen, um „Vorratskäufe an Lebensmitteln und Brennmaterialien, die Sicherung von Saatkartoffeln, örtliche Beihilfen für die steigende Zahl von Ortsarmen und die Hinterbliebenen von Kriegsopfern sowie für Teuerungszulagen der eigenen Angestellten” leisten zu können. Seit 1912 stellte daneben in der zwölfköpfigen Gemeindevertretung der sozialdemokratische Ortsverein eine ernstzunehmende Kraft dar. Als dieser mit vier Direktmandaten und drei sympathisierenden Abgeordneten plötzlich in eine dominante Position kam, wurde es mit Weidmanns Widerstand immer schwieriger. Erschwerend kam hinzu, dass angesichts der großen Wohnungsnot in Berlin Altglienicke zum Notstandsgebiet für Unterbringungen erklärt wurde. Auch der Siedlerverband Weidmanns Höhe Genossenschaft mbH musste die Wohnbebauung am Kiesberg südlich der Rudower Straße mit Nachdruck voranbringen, um dort vermehrt Berliner unterzubringen. Mit der Gemeindewahl im Februar 1919 taten sich in Altglienicke dann auch noch drei große Fraktionen hervor: die Mehrheits-Sozialdemokraten (MSPD) unter Vorsitz Kaufmann, die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) unter Max Osten und der Bürgerliche Block unter Hermann Mahler.

Am Kiesberg (Bild: BVA)
Am Kiesberg (Bild: BVA)

Unter dem Eindruck der schlechten Lage nach Kriegsende verbreitete sich rasch die Meinung, dass nur eine enge und dauerhafte Bindung an die Reichshauptstadt die akuten Probleme der verschuldeten Gemeinde lindere. Immer mehr Altglienicker forderten dazu auf, aus dem Verband der Vorortgemeinden auszutreten und sich dem Zweckverband Groß-Berlin zuzuwenden. Im Sommer 1919 beugte sich schließlich Gemeindevorsteher Weidmann widerwillig dem Druck und beantragte beim preußischen Ministerium des Inneren die nachträgliche Einbeziehung der 5.000-Einwohner-Gemeinde Altglienicke in das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Groß-Berlin. Damit verbunden erklärte Emil Weidmann in tiefer Aversion zu Groß-Berlin seine Unlust, das Amt des Gemeindevorstehers fortzuführen und erbat seine sofortige Versetzung in den Ruhestand. Ein Jahr später wäre es ohnehin beendet gewesen, weil es an einen größeren Bezirksbürgermeister Berlin-Treptow überging. Anders als kraft der historischen Beziehung zur Stadt Köpenick erhofft, wurden die Altglienicker bei der Festlegung der Grenzen der 20 Berliner Verwaltungsbezirke nicht zu Köpenick, sondern zu Treptow zugeschlagen, mit dem man bisher nie etwas zu tun hatte. Nur die Bohnsdorfer hatten da Glück, wurden aber 1938 nachträglich von Köpenick zu Treptow umgemeindet. Das Versprechen an die zu Groß-Berlin 1920 gekommenen Städte und Gemeinden, dass es unterhalb der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen in den Ortsteilen weiterhin Ortsbeiräte mit einem Vorsteher geben werde, wurde schon nach nur einem Jahr Groß-Berlin aus Haushaltsgründen zu den Akten gelegt. 100 Jahre gehört nun Altglienicke zu Groß-Berlin. Dass es nach Weidmanns Widerstand dazu kam, verbindet sich eng mit den sozialen Folgen des Ersten Weltkrieges.

(Text wurde von Joachim Schmidt vom Dörferblick zur Verfügung gestellt. Vielen Dank)


Wie ein „Allerhöchster Erlaß“ 125 Jahre Altglienicke beschert

Ortskern Altglienicke mit Grünauer Str. vermutlich um 1909
Ortskern Altglienicke mit Grünauer Str. vermutlich um 1909

Am 15. Juli 2018 durfte Altglienicke sein nunmehr 125-jähriges Bestehen feiern. Aber wie kann so etwas sein? Ist Altglienicke nicht viel älter? Feierte man nicht im Jahr 2000 groß das 625-jährige Ortsjubiläum, so dass man jetzt bei 643 Jahre sein müsste?
Alles ist richtig. Es kommt nur auf den Blickwinkel an. Tatsächlich weiß niemand, wann der Ort wirklich gegründet wurde. Archäologische Funde belegen, dass schon 2000 Jahre v. Chr. in der Bronzezeit Menschen an der eiszeitlichen Hangkante zwischen dem Hochplateau des Teltow und dem Urstromtal siedelten. Sie hinterließen im Boden uns allerlei Fragmente ihres Schaffens. Germanische Semnonen waren es, die dieses Terrain am Ende wieder verließen, um weiter Richtung Rhein zu ziehen und letztlich zu Schwaben zu werden. Im Zuge der Völkerwanderung kamen ab dem 7. Jahrhundert nachfolgend slawische Wenden (oder Sorben) in die Region und ließen sich als die Neuen nieder. Von ihnen stammt der Name des Orts. Der Wortstamm 
glin oder glyna ist slawischen Ursprungs und bedeutet Lehm. Diesen fanden die Wenden so reichhaltig im Boden vor, dass sie die Stelle schlichtweg „Lehmfeld“ nannten. 
Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort namens „Glinick“ (wie auch das benachbarte „Bonisztorpp“) im Jahr 1375, im Landbuch Kaiser Karls IV. Der aus Böhmen stammende Kaiser hatte die ein Jahrhundert zuvor den Wenden abgenommene und nun von norddeutschen Siedlern kolonisierte Mark Brandenburg gerade erworben. Er wollte genau wissen, was die Mark ihm an möglichen Einkünften bieten kann. Er schickte Landschreiber von Dorf zu Dorf, jedes noch so versteckte Nest zu finden. Von da an wissen wir amtlich dokumentiert, dass es jenes Glinick mit 49 Hufen gab. Den Ort gab es da aber schon länger. Nur seine wendischen Namensgeber waren unterdessen weg oder hatten sich mit den neuen deutschsprachigen Siedlern vermischt. Die Schreibweise des Ortes wechselte fortan. 1450 war von Glynigk und 1536 von Glynicke die Rede. Bis erstmals von einem Altglienicke die Rede war, sollte aber noch etwas Zeit vergehen. 
In Folge von Kriegen hatte sich die Bevölkerung der Mark Brandenburg geleert. Manche Dörfer waren vollends verwaist.

Das brachte den preußischen König Friedrich II. (bekannt als „Alter Fritz“) mit einer neuen Siedlungspolitik auf den Plan. Mit zwei Kabinettordres brachte er 1742 die Forcierung der Bautätigkeit und das Besetzen wüster Höfe mit Kolonisten voran. Wer sich von außerhalb in der Mark niederließ, sollte mit steuerlichen Vergünstigungen von sechs bis zehn Jahren Dauer, aber eben auch Religionsfreiheit belohnt werden. Am 16. Juli 1764 zogen schließlich auf königlichem Geheiß zwölf Pfälzer Familien, acht Bauern und vier Kossäten, in Glienicke ein, die als Reformierte ihres Glaubens wegen der alten Heimat entsagten. Ihre Namen lauteten Petermann, Partenheimer, Weinsheimer, Heinrich, Hermann, Hoffmann, Weimann, Specht, Dietz I, Dietz II, Welsch I und Welsch II.
Den Neuen wurde eine Stelle direkt neben dem Dorf Glienicke zugewiesen, was sich bis dahin allein entlang der heutigen Besenbinder- und Semmelweisstraße erstreckte. Die Pfälzer Kolonisten sollten dahinter entlang der Hangkante siedeln, wo sich heute Grünauer und Rudower Straße erstrecken. Dort durften sie sich an der Anhöhe, wie von Friedrich II. vielerorts in der Mark befördert, um die Pflege von Maulbeerbäumen und dabei die Aufzucht von Seidenraupen kümmern. Die begehrten Kokons der Raupen wurden in Köpenick zu Seide weiterverarbeitet. Die Kolonisten bekamen Inventar übergeben, was vor allem aus Bauholz, Nutztiere und Saatgut bestand. Verbunden mit ihren steuerlichen Privilegien und religiösen Freiheiten bildeten die Siedler nebst dem alten Dorf eine eigenständige Gemeinde Neu-Glienicke. Damit wurden die Alteingesessenen 1764 zwangsläufig zu Alt-Glienicke. Da deren Dorfkirche lutherischen Bekenntnisses war, schlossen sich die calvinistischen Pfälzer der reformierten Schlosskirchengemeinde in Köpenick an. Daneben entwickelten sich alle Strukturen parallel existierend – von zwei Dorfschulzen bis zu zwei nebeneinander liegenden, aber getrennten Friedhöfen. Nur bei der Dorfschule war man sich einig, die Kinder nach Alt-Glienicke zu schicken, auch wenn die Pfälzer anfangs einen eigenen Lehrer beisteuerten. 
Fortan nahm in den beiden Glienickes auch die Einwohnerzahl zu, wobei in Alt-Glienicke (was lange nur um die 100 Bewohner hatte) deutlich mehr geboren wurde als in Neu-Glienicke. 1801 standen 378 „Alte“ 91 „Neuen“ gegenüber. Mit den Stein-Hardenbergschen Reformen kamen schließlich Veränderungen auf, die eine Umgestaltung der bäuerlichen Besitzverhältnisse mit der Ablösung bisheriger Aufgaben und Diensten gegenüber der Obrigkeit zur Folge hatte. Alle Alt- und Neu-Glienicker waren 1851 verpflichtet, ihre bäuerlichen Besitz- und Dienstverhältnisse neuzuordnen. 
Ab dieser Zeit war dann kaum noch zu erkennen, welcher Grund und Boden zu Alt- oder Neu-Glienicke gehörte, da wohlhabendere Neu-Glienicker zu Landbesitz im alten Dorf kamen. So hatte plötzlich der Neu-Glienicker Dorfschulze Partenheimer sein Anwesen neben der Dorfkirche, nördlich von dem des Alt-Glienicker Schulzen Hannemann. Alt-Glienicker kamen hingegen südwärts zu Landbesitz neben den Neu-Glienickern.

Die Schulchronik vermerkte in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts: „Das Eigentum der beiden Gemeinden lag derartig zusammen, daß nur Einheimische die Grenzen auseinanderhalten konnten“. Es waren letztlich die Neu-Glienicker unter ihrem Schulzen Partenheimer, die darauf drängten, dieses Nebeneinander zweier Glienickes mit unterdessen um die 3.000 Einwohnern zu beenden, um zu einer vernünftigen Verwaltung des Gebietes zu kommen. Man beklagte: „Die Vereinigung der beiden Gemeinden ist im öffentlichen Interesse geboten, da sie neben- und durcheinander liegen, so daß nur eine mit der Localität vollkommen vertraute Person imstande ist, die Grenzen zu unterscheiden.“ 
Im Nachbarort Bohnsdorf, wo ebenso 1764 eine Pfälzer Siedlung entstand, war die Zusammenlegung von Alt- und Neu-Bohnsdorf zu einem Bohnsdorf schon 1865 vollzogen worden. Die Alt-Glienicker standen jedoch unter ihrem Schulzen Hannemann einer Vereinigung kritisch gegenüber. Alle Bemühungen um eine Vereinigung beider Glienickes scheiterten, bis ein „Allerhöchster Erlaß“ des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm II. dem anhaltenden Konflikt ein Ende setzte. Er verfügte vor nunmehr fast 125 Jahren am 17. April 1893, dass zum 15. Juli 1893 die Gemeinden Alt- und Neu-Glienicke zu einer zu vereinigen seien. 

Fortan entbrannte der nächste Streit, wie dann die Gemeinde zu heißen habe. Natürlich bot sich der ursprüngliche Name Glienicke an, aber in Zeiten, wo durch das Aufkommen der Bahn Entfernungen zwischen Ortschaften eine immer geringere Rolle spielten, stellte der eine gewisse Verwechslungsgefahr dar. In Brandenburg und der westlich angrenzenden Altmark ließ sich ein gutes Dutzend Ortschaften mit dem Namen Glienicke ausmachen. Vor allem im Umland Berlins erwählte man sich zu dieser Zeit einen Namenszusatz, um sich besser zu unterscheiden. So gab es dann nunmehr Glienicke (Nordbahn), Groß Glienicke und Klein Glienicke. Man verständigte sich hier auf den Namen Alt-Glienicke. Die waren schließlich zuerst da. 
Keine Einigung gab es jedoch bei der Schreibweise. Die variierte ständig zwischen Zusammen- und Getrenntschreibung und dann mit oder ohne Bindestrich: Altglienicke, Alt-Glienicke oder Alt Glienicke? Nach zwei Jahrzehnten wechselnder Schreibweisen war es dem Regierungspräsidenten des Kreises Teltow dann zu viel. In Preußen hatte alles seine Ordnung zu haben. Er verfügte 1912, der Ort habe getrennt und ohne Bindestrich, also Alt Glienicke, geschrieben zu werden. Daran hielten sich fortan pflichtbewusst die amtlichen Stellen, doch nach der Eingemeindung Alt Glienickes in Groß-Berlin 1920 mit dem Verlust einer eigenen Gemeindeverwaltung nahm die Schreibweise in der Bevölkerung zunehmend eine neue Eigendynamik. Letztlich setzte sich von unten her die Zusammenschreibung Altglienicke durch.
 (Der Text wurde vom Dörferblick zur Verfügung gestellt. Vielen Dank an Joachim Schmidt)


Altglienicke auf einen Blick

  • 26.000 Einwohner
  • Kindertagesstätten: 10
  • Grundschulen: 4
  • Realschulen: 1
  • Gymnasien: 1
  • andere Schularten: 4
  • Allgemeinmediziner (ohne Fachärzte): 8
  • Zahnärzte (ohne Kieferorthopäden): 13
  • Seniorenfreizeitstätten: 1

Verkehrsverbindungen: S-Bahn Altglienicke und Grünbergallee, Omnibuslinien 160,163,260
Bis zur Verwaltungsreform 2001 war es ein Ortsteil des historischen Bezirks Treptow. Die historische Gemeinde Altglienicke des ausgehenden 19. Jahrhundert geht auf das Dorf Glinik aus dem 14. Jahrhundert zurück. Altglienicke ist geprägt von Grundstückssiedlungen am Falkenberg und einem Neubaugebiet bei Falkenhöhe in Richtung des Flughafens Schönefeld. Altglienicke gehört zum ältesten Siedlungsgebiet des Bezirks Treptow-Köpenick.

Altglienicke liegt im Südosten Berlins nahe dem Flughafen Schönefeld. Der Ortsteil befindet sich nordwestlich des 52 Meter hohen Falkenbergs. Der Falkenberg und die 1962 eröffnete S-Bahnstrecke nach Schönefeld trennen Altglienicke nach Osten hin vom Ortsteil Bohnsdorf. Nach Norden bildet der Teltowkanal die Grenze zum Ortsteil Adlershof. Westlich schließt sich der Ortsteil Rudow im Bezirk Neukölln von Berlin an.
Im Süden liegt hinter der Berliner Landesgrenze zum Land Brandenburg die Gemeinde Schönefeld. Der Ortsteil wird topografisch durchzogen vom Übergang des Höhenzuges Teltow zum Berliner Urstromtal, der sogenannten „Hangkante“. Daher liegt umgangssprachlich der historische Ortskern vor oder unter dem Berg, die weiteren, erst später erschlossenen Siedlungsgebiete nach Süden hin am oder auf dem Berg. Östlich des 1951 von der Reichsbahn errichteten Berliner Außenrings befindet sich die einst vor allem von Villen geprägte Altglienicker Ortslage Falkenberg.
Altglienicke besteht darüber hinaus aus zahlreichen Siedlungen mit eigenem Charakter, im Wesentlichen Spreetal, Altglienicker Höhe, Grüneck, Sachsenberg, Falkenhöhe und Altglienicker Grund. Diese aus der Flur kommenden Bezeichnungen spiegeln sich noch heute in verschiedenen Straßennamen wider. Ab Ende der 1980er-Jahre entstanden auf bis dahin landwirtschaftlich genutzten Flächen größere Neubausiedlungen, die über eigene Bezeichnungen verfügen. Das noch zu DDR-Zeiten zwischen 1987 und 1990 in Plattenbauweise errichtete Gebiet an der Schönefelder Chaussee wird als Kosmos-Viertel bezeichnet. Nach 1990 entstanden als weitere Neubaugebiete das Kölner Viertel, das Ärztinnenviertel und das Anne-Frank-Carée. Die Namen nehmen Bezug auf die in den Vierteln vorherrschenden Straßennamen.
Entlang der westlichen Ortsgrenze zu Rudow entstand zum Teil in Tunnellage gelegen, als Abschnitt der A 113 die Autobahnverbindung von der Berliner Innenstadt zum Flughafen Schönefeld . Die Eröffnung der Autobahnverbindung fand im Mai 2008 statt. Als Ausgleichsmaßnahme zum Weiterbau der Autobahn entstand der Landschaftspark Rudow-Altglienicke er wurde am 27.05.2009 eröffnet. Der neue Park verbindet Rudow und Altglienicke. Mit der rund 64 Hektar großen Grünanlage im Berliner Süden soll die Verbindung der beiden Ortsteile erhalten bleiben und der durch den Bau der Autobahn 113 entstandene Eingriff in die Natur ausgeglichen werden.Der Mauerstreifen ist nun ein Landschaftspark. Entlang der A 113 nach Schönefeld kann man jetzt laufen, radeln, skaten, reiten.


So sah es um 1900 in Altglienicke aus

Das geschah 1375 : Glinick wurde erstmals urkundlich im Landbuch Kaiser Karls IV. erwähnt. Und das war vorher : Gegründet wurde das Dorf etwa 1225 "Ein Gräberfeld bei Altglienicke barg brozene Gegenstände, die in das 13. Jh. v. Chr. datiert werden "

  • 1852 - wurde die neue Dorfschule in der Besenbinderstraße gebaut.
  • 1893 - vereinigten sich die Gemeinden Alt-Glienicke und Neu-Glienicke zu Alt-Glienicke
  • 1894 - bezifferte sich die Einwohnerzahl auf 3000
  • 1895 - wurden im Dorf eine neue Kirche mit dem 41 m hohen Turm und einer neuen Orgel und die Schule (Mädchenschule) in der Rudower Straße eingeweiht
  • 1902 - wurde die Freiwillige Feuerwehr Altglienicke gegründet
  • 1906 - wurde der Teltowkanal festlich eröffnet
  • 1909 - feierte man die Eröffnung der Straßenbahnlinie Adlershof - Alt-Glienicke
  • 1914 - begann der Schulbetrieb am Mühlenberg in Alt-Glienicke (Knabenschule)
  • 1919 - besaß der Ort etwa 5000 Einwohner

 

Anhand der Funde von Herdstellen im Bereich der Ortslage Falkenberg sind in der Altglienicker Region erste menschliche Siedlungen aus der Bronzezeit ab 2000 v.Chr. belegt. Ab etwa 500 n.Chr. lösten slawische Wenden die hier siedelnden germanischen Semnonen ab. Im 12. Jahrhundert (zu Zeiten von Albrecht dem Bären) entstand neben der wendischen Siedlung ein askanisches Bauerndorf mit vermutlich aus der Altmark stammenden Kolonisten. Das Dorf Glinik wurde schließlich 1375 im Landbuch Karls IV. erstmals urkundlich erwähnt. 1523 kam Glienicke als Vorwerk zum Amt Cöpenick. 1628 musste Glienicke versteigert werden. Die Besitzer wechselten regelmäßig (Joachim von der Groeben, Kaspar von Klitzing, Adam von List, Graf von Lynar), bis das Dorf vom Kurprinzen Friedrich (der spätere Friedrich II.) aufgekauft und wieder in ein Vorwerk vom Amt Cöpenick verwandelt wurde. 1740 entstand unter Generalleutnant von Schlabrendorf der Gutshof Falkenberg.Im Juli 1764 siedelten sich Kolonisten aus der Pfalz als Erbpächter an und erhielten als eigenständige Gemeinde Neu-Glienicke weitgehende Sonderrechte. Alt-Glienicke und Neu-Glienicke wurden zur Gemeinde Altglienicke per Verfügung vom 17. April 1893 vereinigt. 1894/1895 entstand an der Stelle des barocken Vorgängerbaus einer Dorfkirche die heutige evangelische Pfarrkirche im Stil der Neoromanik. Im Jahre 1905/1906 wurde der Bau des Altglienicker Wasserturms sowie das Wasserwerk vollendet. Zeitgleich kam es zur Fertigstellung des Teltowkanals. 1913 wurde die Gartenstadt Falkenberg nach Plänen des Architekten Bruno Taut erbaut.
1920 wurde Alt-Glienicke mit 5.028 Einwohnern nach Groß-Berlin in den neu geschaffenen Bezirk Treptow eingemeindet. Ab den 1930er-Jahren kam es zur Parzellierung und Besiedlung weiterer Bereiche des heutigen Siedlungsgebietes. Im Frühjahr 1951 wurde der Ortsteil mit dem Bau einer Bahntrasse (Berliner Außenring) quer durch das Siedlungsgebiet zerschnitten, viele Bewohner verloren dabei ihr Grundstück und Haus. Nach Errichtung größerer Neubausiedlungen ab 1987 betrug die Einwohnerzahl im Jahr 2005 etwa 26.000 Menschen.


Eine Textfassung aus den 50er Jahren zur Entstehung von Altglienicke

Blatt 1
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Blatt 2
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Blatt 3
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Blatt 5
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(Verfasst und geschrieben von Herrn Jürgen Bleul als Schüler. Dieses Material würde von Frau Lingenober zur Verfügung gestellt.)


Die Veränderungen der Schreibweisen des Ortsnamen von 1375 bis heute

Der Stamm des Ortsnamens leitet sich aus dem Slawischen ab, und zwar bedeutet glina = Lehm und glinki = Lehmfelder. Es verrät uns, dass auch Slawen (Wenden) sich nach den germanischen Stämmen in diesem Gebiet aufhielten.
Deutlich konnte man das beim Bau des Krankenhauses Hedwigshöhe beobachten.
Eigentlich bestehen alle Höhenlagen aus Lehm, den "typischen" Berliner Sand haben erst die Eiszeitbewegungen hergebracht. In ihrer ersten urkundlichen Erwähnung, nähmlich im Landbuch Kaiser Karls IV. im Jahre 1375, da war ihr der Lehm im Ortsnamen aufgedrückt.